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Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen

17.05.2017
von Maren Waruschewski
Bank- Kapitalmarktrecht

Auch wenn die Gesetzesänderung aus März 2016 dazu geführt hat, dass seit dem 21.06.2016 der Widerruf von sogenannten „Altverträgen“ nicht mehr möglich ist, hat das nicht zur Folge, dass damit im Zusammenhang stehende Streitigkeiten sämtlichst erledigt wären. Im Gegenteil sind aktuell noch eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren, in denen es um die Rückabwicklung von bis zum 21.06.2016 widerrufenen Verbraucherdarlehensverträgen geht, rechtshängig.

Die Gerichte werten die unterschiedlichen Fallkonstellationen bundesweit verschieden. Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es nicht. Unter anderem liegt das auch daran, dass nicht alle Banken wortgleiche Widerrufsbelehrungen verwendet haben. Da sich der Gerichtsstand oft nach dem Sitz der zu verklagenden Bank richtet, kann also bereits aus diesem Grund ein Urteil beispielsweise des Landgerichts München anders ausfallen als ein Urteil des Landgerichts Oldenburg. Auch die in den letzten Monaten veröffentlichten Urteile des BGH zu dem Themenkomplex „Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen“ ändert an der Gesamtlage nichts.

Deutlich erkennbar ist aber die Tendenz der Gerichte, zu Gunsten der Banken den Einwand der Verwirkung durchgreifen zu lassen. Das gilt insbesondere für Fälle, in denen die Kunden zunächst einen Vertrag durch eine Aufhebungsvereinbarung und Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet hatten, danach erst den Widerruf der auf Abschluss des ursprünglichen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung ausgesprochen hatten. Auch hierzu hatte sich der BGH in mehreren Urteilen bereits geäußert. Er führte in den Entscheidungsgründen zu dem Urteil vom 12.07.2016 unter dem Aktenzeichen XI ZR 564/15 und zu dem Urteil vom 21.02.2017 unter dem Aktenzeichen XI ZR 381/16 aus, dass sich eine Bank zwar grundsätzlich auf Verwirkung berufen könne. Das sei gerade in dem Fall relevant, in dem eine Aufhebungsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden sei, der ursprüngliche Darlehensvertrag also gar nicht mehr bestehe. Aber hierfür bedürfe es besonderer Voraussetzungen. Denn bei der Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Aufhebung von Darlehensverträgen handele es sich letztlich um die vertragsgetreue Erfüllung derselben. Es handele sich nicht um eine Beseitigung der vertraglichen Bindung, sondern um eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung (so auch BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15). Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt werde, trage nicht der Verbraucher, sondern die jeweilige Bank. Denn im Gegenteil würde es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen.

Auf der Basis der Rechtsprechung des BGH müsste Folge sein, dass die Bank sich nur dann auf Verwirkung berufen kann, wenn sie darlegen und beweisen kann, dass sie sich wegen der Untätigkeit des Kunden über einen gewissen Zeitraum bei objektiver Betrachtung darauf eingerichtet hat und einrichten durfte, dieser werde den Vertrag nicht mehr widerrufen (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2016, Az. XI ZR 564/15, Rn 33-49). Es gilt also zu Gunsten der jeweiligen Bank keine Vermutung diesbezüglich, sondern es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf Grundlage des konkreten und ggf. bewiesenen Sachvortrages der Bank. Diese hat die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Verwirkungseinwandes.

Unsere Erfahrung ist aber, dass die zu entscheidenden Gerichte diese Voraussetzungen für den Einwand der Verwirkung nicht berücksichtigen. So hat das OLG Köln in einem Beschluss vom 29.03.2017 die Berufung eines Darlehensnehmers mit der Begründung zurückgewiesen, die allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, die Bank habe die vereinnahmten Beträge längst dazu verwandt, neue Darlehen auszureichen. Das reiche aus, um darauf zu schließen, die Bank habe im Vertrauen auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts Dispositionen getroffen. Das Gericht formulierte zwar in den Entscheidungsgründen, es handele sich bei dem Rückgriff auf die allgemeine Lebenserfahrung nicht um eine Vermutung. Aber letztlich ist es genau das: keine Entscheidung im Einzelfall, sondern eine Vermutung zu Gunsten der Bank – mit den entsprechenden prozessualen Folgen. Die Bank musste weder darlegen und beweisen, ja nicht einmal behaupten, sie habe Dispositionen getroffen und habe nicht mehr damit gerechnet, der Verbraucher werde den Vertrag noch widerrufen. Das wurde schlicht unterstellt. 

Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Klagen auf Rückzahlung von gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen nach erklärtem Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages bedeutet dies, dass Theorie und Praxis voneinander abweichen. Die Gerichte greifen auf allgemeine Lebenserfahrungen zurück, die Banken müssen gerade nicht im Einzelfall die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung darlegen und beweisen.

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