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Krankenhaus musste mit Flucht der Patientin aus dem Fenster rechnen und haftet ihr daher für die sturzbedingten Schäden

03.08.2017
von Dr. Christoph Schlüter
Medizinrecht

Das Oberlandesgericht Hamm hatte jüngst zu klären, welche Sicherungsmaßnahmen ein Krankenhaus zu ergreifen hat, um eine demente Patienten vor sich selbst zu schützen. Eine Patientin war am 24.01.2011 wegen eines Schwächeanfalls mit mehrfachem Übergeben in das St. G-Hospital stationär eingewiesen worden. Im Prozess ergab sich, dass die demente Patientin seit dem Aufnahmetag sehr aggressiv, sehr unruhig, verwirrt und desorientiert gewesen war. Darüber hinaus zeigte sie Hin-und Weglauftendenzen und wollte die Station verlassen. Trotz Gabe verschiedener Medikamente war die Patientin sehr unruhig geblieben. Die diensthabenden Krankenschwestern wussten sich nicht anders zu helfen, als die sich nach innen öffnende Tür des Krankenzimmers von außen mit einem Krankenbett zu verschließen, um die Patientin am Weglaufen zu hindern. In der Nacht kletterte die Patientin unbemerkt aus dem Zimmerfenster und zog sich beim Sturz erhebliche Verletzungen zu, insbesondere eine Rippenserienfraktur, eine Lendenwirbelkörper 1-Fraktur, eine instabile Beckenringfraktur links und eine Oberschenkelfraktur links. Das OLG Hamm kam mit seiner Entscheidung vom 17.01.2017, 26 U 30/16, zu dem Ergebnis, dass das Krankenhaus für die Kosten der unfallbedingte Heilbehandlung und das Krankenhaustagegeld in Höhe von als 93.000,00 € hafte. Das Gericht begründete dies damit, dass die Behandlerseite mit der stationären Aufnahme eines Patienten nicht nur die Aufgabe habe, ihn dem medizinischen Standard entsprechend ärztlich zu behandeln. Vielmehr treffe ein Krankenhaus auch Obhuts- und Schutzpflichten dergestalt, dass der Patient im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden und Gefahren zu schützen sei, wenn sein körperlicher oder geistiger Zustand dies gebiete. Hierbei sei maßgebend, ob im Einzelfall wegen der Verfassung des Patienten aus der Sicht ex ante ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte (vgl. etwa Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.06.2005 - I-8 U 124/03 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.39). Bei dieser Sachlage habe das Krankenhaus auch mit einer Flucht durch das Fenster rechnen müssen. Dabei setzte sich das Gericht über die gegenteilige Einschätzung des gerichtlich bestellten Gutachters hinweg. 

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