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Erforderlichkeit und Umfang einer Betriebsratsschulung zum Thema des betrieblichen Eingliederungsmanagements

11.01.2017
von Dr. Christoph Schlüter
Arbeitsrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat sich im September 2016 in einer recht aktuellen Entscheidung damit befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsratsschulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement vom Arbeitgeber zu tragen ist (BAG, Urteil vom 28.09.2016, 7 AZR 699/14; NZA 2017, Seite 69 f.). 

In der Sache ging es darum, dass die Prozessparteien über Entgeltansprüche des Betriebsratsvorsitzenden für die Zeit seiner Teilnahme an einer Schulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement gestritten hatten. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hatte die Klage mit Urteil vom 13.11.2013, 2 Ca 1415/13, abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hatte das LAG Hamm mit Urteil vom 09.09.2014, 7 Sa 13/14, der Klage hingegen stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des LAG Hamm aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die vom LAG bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen würden nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger gegen die Beklagte nach § 611 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2, Abs. 6 BetrVG einen Anspruch auf Entgeltzahlung für die Zeit seiner Teilnahme an der genannten Schulung haben würde. 

Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass nach § 37 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BetrVG Mitglieder des Betriebsrates für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgeltes zu befreien seien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Die Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes sei von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats über die Entsendung des Betriebsratsmigliedes zu der Schulungsveranstaltung abhängig, da § 37 Abs. 6 BetrVG nicht als Anspruch der einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgestaltet sei. Vielmehr räume diese Vorschrift dem Betriebsrat das Recht ein, über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zu beschließen, deren Schulung für die Tätigkeit im Betriebsrat erforderlich ist. 

Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG sei die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern brauche die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisses im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Der Senat unterschied zwischen der Vermittlung sogenannter Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundkenntnissen solle das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Anstellung ergebenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen müsse ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Betreiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann.

Die Schulung des entsandten Betriebsratsmitgliedes wäre hingegen nicht notwendig, wenn die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind. Allerdings sei der Betriebsrat weder verpflichtet, die anstehenden Aufgaben und wenige kenntnisreiche Mitglieder zu konzentrieren, noch müsse er sich bei der Aufgabenerfüllung auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmigliedes verlassen. Auch wenn ein Mitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitze, könne die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit es gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hänge dabei maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung des Betriebsrates ab, ob und inwieweit ein oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen muss. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit habe der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Er habe darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufgewendeten Mitteln stehe. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung sei nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann.

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das macht jedoch die Darlegung, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse benötigt, damit das Gremium des Betriebsrats seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann, nicht entbehrlich.

Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung sei darüber hinaus grundsätzlich einheitlich zu bewerten. Die Aufteilung einer Schulung in einem für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitgliedes erforderlichen und einen nicht erforderlichen Teil komme nur dann in Betracht, wenn die unterschiedlichen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung und ein zeitweiser Besuch praktisch nicht möglich, entscheide über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen. Wird eine Schulungsveranstaltung nur als Ganzes zur Buchung angeboten, könne die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme nur einheitlich für die gesamte Schulung beurteilt werden. Dabei sei die Erforderlichkeit in Bezug auf die Entgeltzahlungspflicht nach § 37 Abs. 2, Abs. 6 BetrVG und die Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG ebenfalls einheitlich zu bewerten. 

Vorliegend habe der Betriebsrat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgericht nicht die Möglichkeit, eines seiner Mitglieder unter der Prämisse zu einer Schulung zu entsenden, dass dieses für einen Teil der Schulung Urlaub nehme und einen Teil der Schulungskosten selbst trage. Dies sei im Gesetz nicht vorgesehen. Gegen eine Aufteilung einer nur als Ganzes buchbaren Schulungsveranstaltung sprächen zudem Gründe der Praktikabilität. Eine solche Aufteilung erschwere die Beurteilung der Erforderlichkeit von Schulungsveranstaltungen. Arbeitgeber und Betriebsräte müssten auch bei Schulungsveranstaltungen, die nur als Ganzes angeboten werden, prüfen, ob die unterschiedlichen Themen zeitlich so abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch sinnvoll ist

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